Dr. Christoph Kopecky ist Rechtsanwalt in Wien und widmet einen Großteil seiner Tätigkeit dem Reisevertragsrecht. Er vertritt in diesem Zusammenhang die Interessen geschädigter Reisender sowie die Interessen von Reiseveranstaltern.
Tel. +43 1 532 18 63
www.ra-kopecky.at
Nibelungengasse 1-3/8
A-1010 Wien
Aus REISE-aktuell 2/24: Ende der Reise bevor diese überhaupt begonnen hat?!
Um Flüge zu buchen greifen immer mehr Reisende auf Buchungsportale zu. In den letzten Jahren gab es dazu immer häufiger ein böses Erwachen. Reisende, die im Schnitt einen Tag vor Abflug online einchecken wollten, wurden überrascht als diese feststellen mussten, dass der gebuchte Flug bereits vor Wochen bzw. Monaten seitens der Fluglinie annuliert wurde. Eine Information seitens der Airline erreichte die Reisenden jedoch nicht. Grund dafür war oftmals, dass die Email-Adressen der Fluggäste seitens des Buchungsportales nicht an die Fluggesellschaft weiter gegeben wurden und diese die Reisenden nicht über die Annulierung informieren konnte. Reisende, deren Flug annuliert wurde, haben unter anderem das Recht auf Leistung einer Entschädigungszahlung – eine sogenannte Ausgleichszahlung – welche als pauschaler Schadenersatz zu werten ist. Die Höhe dieser Ausgleichszahlung orientiert sich an der Entfernung des Reisezieles vom Abflugsort und beträgt zwischen EUR 250,00 und EUR 600,00. Gemäß Artikel 5 Abs 1 lit C) i) VO 261/2004 besteht jedoch dann kein Anspruch auf Erhalt einer Ausgleichszahlung, wenn die Reisenden über die Annullierung des Fluges mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugszeit unterrichtet wurden. Umgelegt auf den oben beschriebenen Sachverhalt stellt sich die Frage, ob die Nichtweitergabe der Email-Adresse durch das Buchungsportal dem Reisenden zum Nachteil gerichtet oder der Fluglinie. Der EuGH entschied dazu mit Urteil vom 11.05.2017, dass die Ausgleichszahlung an den Reisenden auch dann zu leisten ist, wenn das Luftfahrtunternehmen nicht beweisen kann, dass ein Fluggast über die Annullierung seines Fluges mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet worden ist. Der EuGH führt dazu erläuternd aus, dass diese auch dann zu gelten hat, wenn der (Beförderungs-) Vertrag über ein Buchungsportal bzw. einen Online-Reisevermittler zu Stande kam. Folglich besteht auch bei Buchung über ein Online-Portal der Anspruch auf Ausgleichszahlung.
Aus REISE-aktuell 1/24: Gewährleistung wegen zu schmalem Hotelbett?!
Jedem Reisenden ist mittlerweile die Reisepreisminderung ein Begriff. Grundsätzlich gilt bei der Buchung einer (Pauschal)Reise, dass der Reiseveranstalter seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommen muss. Als vertragliche Verpflichtungen gelten sämtliche Merkmale der Reise sowie die damit verbundenen zugesagten Leistungen, welche der Reiseveranstalter gegenüber dem Reisenden schlussendlich erbringen muss.
Wie jeder Reisende weiß, können auch vorab zugesagte Leistungen mangelhaft durch den Reiseveranstalter erbracht werden. Sofern der Mangel vom Reiseveranstalter nicht beseitigt wurde, haben Betroffene Anspruch auf Reisepreisminderung. Unterschieden wird zwischen „Unannehmlichkeit“ und tatsächlichem Mangel. Eine normale Abnutzung eines Hotelzimmers muss als Unannehmlichkeit hingenommen werden. Ungeziefer im Hotel ist jedoch vielmehr als Mangel anzusehen.
Das Amtsgericht in Hannover musste nunmehr über die Breite eines Doppelbettes entscheiden und dabei feststellen, ob die Breite von 1,40 Metern als Reisemangel zu qualifizieren ist bzw. ob ein Bett mit dieser Breite als Doppelbett gilt und ob dieses geeignet ist, zwei Erwachsenen einen erholsamen Urlaub zu ermöglichen.
Siehe da! Das Amtsgericht in Hannover hat dies verneint. Mit Urteil vom 22.02.2024 hat das Gericht entschieden, dass „Reisende jedenfalls in einem Hotel, das der Reiseveranstalter selbst mit fünf „Sonnen“ bewertet, für jeden Reisenden mit einem Schlafplatz von mehr als 70 cm Breite rechnen dürfen“. In dem Reiseprospekt wurden den Reisenden laut Gerichtsurteil ein besonders hochwertiges Hotel mit komfortabler Ausstattung zugesagt. Das Gericht kam auf Grund der vorhin zitierten Zusage im Reiseprospekt zu dem Entschluss, dass ein Schlafplatz von 70 cm Breite einer solchen Zusage nicht entspricht und urteilte, dass die beiden Reisenden, die sich ein Bett teilen mussten, nun 15 % des auf sie entfallenden Reisepreises zurück bekommen.
Aus REISE-aktuell 3/2023: „Ticketrückerstattung“, wer muss bezahlen?
Immer mehr Reisende buchen, meistens aus Gründen der Kostenersparnis, die wohlverdiente Reise gesondert, sprich direkt über die Fluglinie oder über eine Buchungsplattform. Ebenso das Hotel im Anschluss. Das bedeutet, dass eine solche Individualreise nicht unter das in Österreich geltende Pauschalreisegesetz fällt. Natürlich können damit oft Kosten gespart werden, was passiert jedoch im Fall einer Flugabsage?
Abgesehen von den logistischen Problemen in Bezug auf die gesondert erfolgte Hotelbuchung stellt sich für den Reisenden die Frage, wer dem Reisenden den Ticketpreis nach Stornierung des Fluges rückerstatten muss. Wenn ein Flug von der Airline storniert wird, haben Reisende grundsätzlich einen Anspruch auf Rückerstattung der Ticketpreise. Dieser Anspruch ist direkt bei der Fluglinie geltend zu machen auch, wenn der Kauf über eine Plattform stattfand. Die Praxis hat leider gezeigt, dass weder die Fluglinien noch die Plattformen dazu gewillt sind zu zahlen. Seit einem seitens der VKI (Verein für Konsumenteninformation) gegen die Austrian Airlines geführten Verbandsverfahrens ist klar, dass Fluglinien verpflichtet sind, an den jeweiligen Vertragspartner, nämlich an den Reisenden selbst, im Fall einer Stornierung den Ticketpreis zu refundieren. Dies ist aus zivilrechtlichen Erwägungen einleuchtend und hätte bereits früher bekannt sein müssen, da Vertragspartner der Fluglinie schließlich der Reisende ist, und keine Vermittlungsplattform.
In der Praxis wird sich meiner Einsicht nach jedoch wenig auf Grund der oben genannten Entscheidung ändern und werden auch in Zukunft Reisende von den jeweiligen Fluglinien an die jeweiligen Buchungsplattformen verwiesen. Dies ist zwar rechtswidrig, aber gängige Praxis.
Praxistipp: Versuchen Sie lediglich einmal die Rückerstattung im Fall einer Stornierung über die Fluglinie zu erreichen. Sollte dies nicht funktionieren, sollte unbedingt ein Rechtsanwalt aufgesucht werden, welcher den Anspruch direkt bei der Fluglinie geltend macht.
Aus REISE-aktuell 1/2023: Haftung des Reiseveranstalters für „alles“? Neues Urteil des EUGH zu C-396/21
Jeder von uns erinnert sich an jene Zeiten zurück, in denen der Urlaub dank Corona alles andere als gesichert erschien. Die damit einhergehenden Beeinträchtigungen waren nunmehr Thema der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes: Reisende, deren Pauschalreise durch Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie beeinträchtigt wurde, haben Anspruch auf eine Minderung des Reisepreises.
Zum Sachverhalt: Zwei Reisende buchten eine Pauschalreise nach Gran Canaria ab dem 13.03.2020. Auf Grund der ab 15.03.2020 auf GranCanaria angeordneten Einschränkungen konnten die Strände und das Swimming-Pool nicht genutzt werden, es wurde eine Ausgangssperre verhängt und die Reisenden mussten die Reise vorzeitig abbrechen. Die Reisenden machten eine Reisepreisminderung von 70 % geltend.
Das Landesgericht München hat den EuGH um Auslegung der Pauschalreiserichtlinie ersucht. Gemäß EuGH geht aus dem Wortlaut des Art 14 Abs 1 der RL 2015/2302 hervor, dass der Anspruch des Reisenden auf eine Minderung des Preises seiner Pauschalreise nur der Voraussetzung einer Vertragswidrigkeit unterliegt.
In Art. 3 Nr. 13 der RL 2015/2302 ist der Begriff „Vertragswidrigkeit“ definiert als die Nichterbringung oder mangelhafte Erbringung der in einer Pauschalreise zusammengefassten Reiseleistungen. Daraus folgt, dass die Nichterbringung oder mangelhafte Erbringung der Reiseleistungen ausreicht, um dem betreffenden Reisenden einen Anspruch auf Minderung des Preises seiner Pauschalreise zu verleihen. Die Ursache dieser Vertragswidrigkeit ist insoweit unerheblich. Der EuGH hat somit klargestellt, dass Reiseveranstalter – soweit der Anspruch noch nicht verjährt ist – für diese mangelhafte Leistungserbringung auf Grund des Wortlautes der Pauschalreiserichtlinie zu haften haben. Reiseveranstalter haben somit mit einem vermehrten Aufkommen von Ansprüchen rund um die Pandemie zu rechnen.
Aus REISE-aktuell 2/2022: Gepäcksverlust, was nun?
Viele Reisende mussten sich, allenfalls erschöpft nach einem langen Flug, ohne Gepäck auf dem Zielflughafen wieder finden. Eine äußerst unangenehme Situation die – rechtlich gesehen – weit reichende Folgen haben kann. Die Frage, die sich hier jedem Reisenden im ersten Moment stellt: Was soll ich nun tun?
Dieser Artikel soll einen Leitfaden für jene Reisenden darstellen, die keine Pauschalreise gebucht haben und auf Grund dessen deren Ansprüche ausschließlich gegenüber der Fluglinie geltend machen müssen. Hierbei wird auf das Regelungswerk des Montrealer Übereinkommens abzustellen sein, was von einer Vielzahl an Staaten ratifiziert wurde und den Verlust von Gepäck regelt:
Erster Schritt: Melden Sie den Verlust des Gepäcks umgehend am Flughafen. Hierbei steht Ihnen der Gepäckschalter der jeweiligen Fluglinie zur Verfügung. Sie werden dort aufgefordert ein PIR-Formular (Property Irregularity Report) auszufüllen. Behalten Sie davon immer eine Kopie!
Zweiter Schritt: Melden Sie die Verspätung umgehend schriftlich der Fluglinie, denn nur unter Einhaltung gewisser Fristen bestehen in weiterer Folge Ersatzansprüche. Das Montrealer Übereinkommen regelt, dass verspätetes Gepäck der Fluglinie binnen 21 Tagen ab Übergabe an den Empfänger angezeigt werden muss. Verstreicht diese Frist, bestehen keine weiteren Ansprüche.
Kommt das Gepäck erst einige Tage später, muss in der Regel Ersatz für das „Strandoutfit“ gekauft werden. Auch hier ist jedoch Vorsicht geboten: Anspruch auf Ersatz besteht für die Anschaffung der notwendigsten Dinge wie Toilettenartikel und Kleidung. Ein Recht auf Ersatz besteht sohin nur für die Grundausstattung und auch nur dann, wenn der Ersatzkauf durch einen Beleg nachgewiesen werden kann. Der Anspruch ist jedoch auch der Höhe nach begrenzt: Geht aufgegebenes Gepäck verloren, besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Entschädigung bis zu 1.288,00 (Kurs heute EUR 1.661,73) Sonderziehungsrechte für Ersatzkäufe. Kann die Airline überdies aber beweisen, dass sie alles Zumutbare getan hat, um den Schaden zu vermeiden oder die Ergreifung dieser Maßnahmen unmöglich war, besteht der Anspruch allenfalls nicht.
Aus REISE-aktuell 1/2022: „Corona“: Außergewöhnliche Umstände oder allgemeines Lebensrisiko
In der Reisewelt bewegt sich seit geraumer Zeit – insbesondere im Hinblick auf Corona – eine Menge.
Unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände („höhere Gewalt“) sind der Begriffsbestimmung in § 2 Abs 12 PRG folgend, Gegebenheiten außerhalb der Kontrolle desjenigen, der sich darauf berufen will, sofern sich die Folgen dieser Gegebenheiten auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären. Klar ist jedoch in diesem Zusammenhang, dass die außergewöhnlichen Umstände erst nach Buchung der Reise eintreten dürfen um tatsächlich einen kostenlosen Rücktritt für den Reisenden gewährleisten zu können. In diesem Sinne wurde vielen Reisenden seitens der Gerichte der kostenlose Rücktritt zugesprochen, da die Buchung vor Beginn der weltweiten Pandemie abgeschlossen wurde.
In der Fachwelt wird jedoch immer mehr die Meinung vertreten, dass unter Hinweis auf „Corona“ eine kostenfreie Stornierung in Zukunft kaum bis gar nicht mehr möglich sein werde. Jeder Reisende ist sich der Pandemiesituation bewusst. Folglich wird immer mehr die Meinung vertreten, dass die Corona-Pandemie das allgemeine Lebensrisiko in jedem Land der Welt darstelle und eine Ansteckung nicht nur im Ausland, sondern auch im Heimatland jederzeit möglich ist.
Diese Ansicht wird sich meiner Ansicht nach bald auch vor den Gerichten durchsetzen und wird dies zu einem großen Aufatmen der krisengebeutelten Reiseveranstalter führen. Wer also im Wissen der weltweit herrschenden Pandemie bzw. der weltweit herrschenden Ansteckungsgefahr bzw. im Wissen, dass Corona-Hotspots überall auf der Welt auftreten können eine Pauschalreise bucht, wird von dieser nicht mehr kostenlos – im Hinblick auf die am Bestimmungsort bestehenden Ansteckungszahlen – zurück treten können. Fakt ist, dass die Corona-Pandemie eine gewisse Unsicherheit mitgebracht hat, mit der wir nunmehr alle leben müssen. Einerseits der Reiseveranstalter und andererseits auch der Reisende selbst. Einschränkungen werden dahingehend in Zukunft als allgemeines Lebensrisiko in Kauf genommen werden müssen.
Aus REISE-aktuell 3/2021: Kostenloser Rücktritt auch für Impfgegner?
Das Coronavirus hat sich binnen kurzer Zeit auf der ganzen Welt sehr schnell verbreitet. Die damit einhergehenden Einreisebestimmungen ändern sich schnell; was diese Woche noch erlaubt ist, kann bereits nächste Woche verboten sein.
Mit Einführung der Impfung gegen das Coronavirus wurden in vielen europäischen Ländern Freiheiten beschlossen, die größtenteils nur geimpften Personen zuteilwurden. Die letzten Entwicklungen haben auch gezeigt, dass oft sogar eine regelmäßige Testung für Restaurantbesuche und Besuche von Kultureinrichtungen nicht mehr ausreichte. Dieser Artikel soll sich mit der Problematik befassen, inwieweit nicht-geimpfte Personen – die mangels Impfung eine Pauschalreise nicht mehr antreten dürfen, ein Recht auf eine kostenlose Stornierung haben. Nach dem Dafürhalten von nicht-geimpften Personen sei die Einführung der 2-G Regel bzw. die Unmöglichkeit jeden zweiten Tag einen Corona-Test im Zielgebiet durchführen zu lassen eine Unmöglichkeit im Hinblick auf die zu erbringenden Reiseleistungen. Jedoch: Ein Vertragspartner kann sich auf eine Änderung der Sachlage, deren Fortdauer eine typische Voraussetzung des Geschäftes bildet, nicht berufen, wenn die Änderung keine unvorhersehbare ist, wenn also mit der Möglichkeit einer Änderung gerechnet werden musste; wer angesichts einer solchen Möglichkeit vorbehaltlos ein Geschäft schließt, trägt das Risiko des Wegfalles der Geschäftsgrundlage. Die Tatsache, dass die Inanspruchnahme von touristischen Leistungen nur mehr uneingeschränkt mit dem Nachweis einer Impfung möglich ist, ist jedem seit vielen Monaten bekannt. Folglich kann seitens des Reiseveranstalters die Rechtsansicht vertreten werden, dass die Entwicklung bei Buchung der Reise dem Reisenden bekannt sein musste. Dies gilt meiner Einsicht nach nicht nur für „Impfgegner“, sondern auch für Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden dürfen. Der Kunde wird wohl hier eine Stornogebühr zu bezahlen haben.
Darauf hingewiesen werden muss jedoch auch, dass dieser Themenkomplex juristisches Neuland darstellt und derzeit noch keine oberstgerichtliche Judikatur dazu besteht. Ob diese Rechtsmeinung in Zukunft von den Gerichten bestätigt wird, bleibt sohin abzuwarten.